Und
schon wieder sind wir umgezogen. Ein letztes Mal haben wir nun unser
Quartier gewechselt - dies wird nun definitiv der letzte Standort
vor unserer Rückkehr nach Deutschland sein. Am Samstagmorgen packen
wir wiederholt unsere gesammelten Siebensachen in unseren Chevy SUV,
verabschieden uns von Corey, Jackie, Jeff und den Hunden, besteigen
ein letztes Mal den Aussichtspunkt am Hügel, von dem aus sich
Hollywood Sign, Reservoir, LA sowie Chris Brown von ihrer besten
Seite präsentieren - und nehmen dann den Weg die Serpentinen hinab
in Richtung North Hollywood.
In
Studio City werden wir nun wohnen, nahezu fußläufig zu den Universal
Studios, in einem als 'Luxury Home' angepriesenen Haus mit Pool,
Jacuzzi und Garten. Bei Frank, unserem Gastgeber. Wir sind gespannt.
Tatsächlich soll das 'Luxury Home' seinem Namen absolut gerecht
werden - ich fühle mich auf Anhieb wohl - obgleich das Haus von
Regeln beherrscht zu sein scheint. Überall finden sich Zettel und
Schilder mit Anweisungen darauf - im Eingangsbereich empfängt uns
eine dreiseitige Hausordnung. Wir sollen sie bitte lesen und
unterzeichnen - lesen tun wir sie - zur Unterzeichnung kommt es
leider nicht mehr. In Ermangelung von Papier werde ich am Abend mein
Ticket für das morgige Lakers-Spiel auf ihrer Rückseite ausdrucken
müssen.
Frank
ist nicht zuhause, als wir eintreffen. Er befindet sich gerade in
New York und wird erst morgen zurückkehren - den Schlüssel für das
Haus hat er unterdessen für uns in einer Lockbox an der Eingangstür
platziert.
Ich
werde das Haus an diesem Abend ganz für mich alleine haben - Klaus
ist unterwegs. Ich genieße die Ruhe, den Frieden, das Alleinsein -
darf mich als Hausherrin fühlen, bewege mich frei und schlafe
letztlich so gut wie lange nicht mehr. Tief. Fest. Wie ein Baby.
Nach dieser Nacht soll es sodann auch wieder vorbei sein mit dem
Frieden.
Frank
hat bei unserer Ankunft alle privaten Räume abgeschlossen, ebenfalls
die anderen Gästezimmer - lediglich der Wohnbereich, die Küche,
unser Bad sowie der uns zugewiesene Master-Guestroom stehen uns
offen. Auf dem Bett thront ein riesiges Kuscheltier - ein Hase in
der Größe eines Zehnjährigen - der
das gesamte Zimmer dominiert - das in seiner Einrichtung sowieso
nahezu kitschig wirken soll. Kaum vereinbar mit dem Bild eines
gestandenen Mannes, das Frank fraglos vermittelt. Es hängen viele
Bilder von ihm an den Wänden. Häufig zeigen sie ihn mit seiner
jugendlichen Tochter - eine dazugehörige Frau ist hingegen nirgends
abgebildet. Alles in allem will sich hier der Eindruck eines Mannes
transportieren, der gleichermaßen tough wie bedürftig zu sein
scheint - mit einer nahezu schmerzhaften Sehnsucht nach Liebe, Wärme
und Gesellschaft. Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb er
Zimmer vermietet. Die Fotos zeigen ihn in konservativer,
aufgeräumter Weise - auf fast allen ist lediglich sein Kopf zu
sehen. All diese Abbildungen lassen kaum vermuten, wem wir am
nächsten Tag begegnen werden - einem bis auf die Handrücken
tättowierten Biker mit Harley Davidson und in Lederkluft. That's
Frank.
Allerdings soll ich meinerseits bereits vorgewarnt sein. Als ich am
Abend auf dem Rechner von Frank Skype installiere, verlangt der
Installationsvorgang erneut ein Profilbild von mir - kurzfristig
suche ich auf dem Rechner nach etwas provisorisch Tauglichem - und
stoße dabei auf den Ordner 'Frank's best Harley-Shots' - Bilder, die
ihn in bester Biker-Manier mit nacktem Oberkörper, samt seiner
zahlreichen Tattoos und auf seiner Harley zeigen - ich bin amüsiert
und entwende - angesichts fehlender Alternativen - eines davon
prompt als provisorisches Profilbild für mich auf Skype. Zeitgleich freue ich
mich auf das Gesicht von Klaus, wenn er Frank das erste Mal begegnet
- er ahnt ja noch nichts von Frank's tatsächlicher Beschaffenheit.
Zu meiner Enttäuschung wird er sich jedoch kaum etwas anmerken lassen.
Als
wir eintreffen bei Frank, unser Gepäck ausgeladen und begeistert das
Haus erkundet haben, soll es keine paar Minuten dauern, bis wir in
einen handfesten Streit geraten und uns schließlich überwerfen. Ich
habe echt keinen Bock mehr auf den Typen. Auf seine
Sachlichkeitsnummer, Rationalität und Spaßlosigkeit. Werfe ihm im
Laufe des Disputs vor die Füße, wie es denn zur Abwechslung mal mit
Nähe, Wärme und Heiterkeit wäre. Ich schätze, er hat sich die
Vokabeln notiert - um sie anschließend nachzuschlagen. Mit Grauen
denke ich daran, mir die nächsten fünf Nächte wieder ein Bett mit
ihm teilen zu müssen. Gehe davon aus, am darauffolgenden Morgen den
Monsterhasen als Barriere zwischen uns zu finden. Und überlege
schließlich, das Kuscheltiermonstrum eigenhändig ins Bett zu
verfrachten - als dies am nächsten Morgen nicht der Fall sein soll.
Noch nicht einmal eine Barriere aus Kissen hat er zwischen uns
gebaut. Wahrscheinlich war er bei seiner Rückkehr betrunken.
Mit
diesem Disput haben wir uns nun endgültig an die Wand gefahren. Es
ist kaum mehr etwas zu retten. Aber wir reißen uns zusammen.
Wiederholt. Kommen darin überein, dass sich Klaus einen zweiten
Wagen, ein eigenes Mietauto für den Rest unseres Aufenthalts holen
wird, damit wir uns noch unabhängiger voneinander bewegen können.
Und starten schließlich unser Tagesprogramm wie geplant. Die
Universal Studios stehen heute auf dem Plan.
Zuallererst fahren wir bei einem mexikanischen Autohändler vorbei,
der 'Low, Low Rates' verheißt, den Klaus sich bereits ausgeguckt
hatte und ihm schließlich eine dunkelgrüne Gangsterkarre unter den
Hintern schiebt - eines Fabrikats, das uns beiden unbekannt sein
soll und bisher noch nie begegnet ist. Der Wagen wippt beim Fahren
und macht Geräusche - bei jeder Erschütterung scheppert er und es
rappelt blechern - als wir in einer Kolonne zurück in Richtung Frank's Haus fahren, um das Auto vorerst dort abzustellen, und ich
hinter Klaus navigiere, amüsiere ich mich königlich. Und habe
unversehens meine gute Laune zurück.
Anschließend steigt Klaus zu mir ins Auto und wir besuchen die
Universal Studios. Es wird ein schöner Tag.
Am
nächsten Tag, Sonntag, besuche ich ein Spiel der Lakers gegen die
Dallas Mavericks inkl. Dirk Nowitzki. Ich habe mich super darauf
gefreut - und tatsächlich soll dieser Stadionbesuch zu einem echten
Highlight der Reise werden. Und jeden Cent wert. Wäre Klaus
mitgekommen, hätten wir die Tickets im Doppelpack wesentlich
günstiger bekommen - aber er hat keine Lust. Welch' eine Sünde...
Wenn schon so ein Spiel exakt in unseren Aufenthaltsraum fällt.
Das
Spiel findet im Staples Center in Downtown statt. Das Stadion ist
gefüllt bis unter's Dach. In der Mehrzahl Lakers-Fans. Natürlich.
Sie gewinnen nach einem bis zuletzt spannenden Spiel knapp mit
112:108. Der Jubel ist groß. Ich genieße die Atmosphäre. Und sauge
jede Minute auf.
Anschließend mache ich mich auf den Heimweg. Auf der Suche nach der
Freeway-Auffahrt verfahre ich mich. Fahre immer tiefer in Downtown
hinein, ohne noch zu wissen, wo ich bin. Nehme die Sache aber
gelassen und freue mich, auf diese Weise nun einem noch unentdeckten Teil von
LA zu begegnen. Ich fahre Straßenecke um Straßenecke - bis ich mich
unverhofft und plötzlich in einem der viel gerühmten Ghettos wiederfinde. Was sich mir hier nun eröffnet, soll mich zutiefst
schockieren. So etwas habe ich in meinem Leben noch nicht gesehen.
Die Straßenwege sind dicht bevölkert von überwiegend schwarzen
Menschen, Obdachlose, Kranke, Lädierte, Alte - Massen von ihnen
bewegen sich hier. Zu Beginn denke ich noch, als ich die Menschen
mit ihren Siebensachen aufgereiht am Straßenrand sitzen sehe - hier
fände ein Flohmarkt statt oder dergleichen. Schnell wird klar, dass
das hier kein Flohmarkt ist. Das ist Realität. Und zugleich Alltag.
Und zwar ein ganz fürchterlicher. Ich bin zutiefst berührt und
bekomme es gleichzeitig mit der Angst zu tun. Security steht alle
zwei Meter. Und dennoch wird offensichtlich, dass hier im
Zweifelsfall auch keine Security helfen kann. Diese Menschen hier
haben nichts zu verlieren. Gar nichts. Noch nicht einmal ihr Leben.
Denn als ein solches kann man das nicht bezeichnen. Das aber lässt diese
Menschen sehr gefährlich werden.
Ein
Security-Mann läuft mir vor das Auto. Nimmt Blickkontakt auf und
demonstriert mir seine Gegenwart. Gibt mir aber gleichzeitig zu
verstehen, dass ich mich besser vom Acker mache. Dass ich in dieser
Gegend nichts zu suchen habe.
Ich
fahre auf die mittlere Fahrbahn, um mich nicht am Straßenrand
bewegen zu müssen, verriegle die Türen von innen - und suche
schnellstmöglich wegzukommen. Es wird mir gelingen. So unvermittelt,
wie ich in diesem Areal landete, gelange ich auch aus ihm hinaus.
Und stehe dennoch nachhaltig unter dem Eindruck dieser Szenerie. Es
mutet an, als hätte ich ausversehen die Tür zur Hölle geöffnet. Hier
ist es also - das andere Los Angeles. Die Gegenseite zu all den
gepflegten, geleckten und aalglatten Menschen. Ein Gegensatz, der
kontrastreicher nicht ausfallen könnte. Es wirkt fast, als hätte man
all das Üble, Schlechte und Erbärmliche gesammelt, um es in diesem
Ghetto wegzusperren und zusammenzupferchen.
Als
ich zurück in Studio City und bei unserer Bleibe angelangt bin, treffe ich
auf Frank. Ich habe mir Pizza auf dem Rückweg gekauft, wir setzen
uns in den Garten und unterhalten uns. Später werden wir ins
Wohnzimmer übersiedeln. Frank fragt mich, weshalb ich so früh
zuhause bin - und weshalb alleine unterwegs. Ich sage ihm, dass ich
die Ruhe hier genieße, nach all den geballten Eindrücken der letzten
Zeit - und innerhalb von Minuten hat er heraus, wie es um Klaus und
mich inzwischen bestellt ist. Er erzählt, dass er als junger
Erwachsener mit seinem Zwillingsbruder einen fünfmonatigen Trip
durch Europa unternahm. Und dass er seinen Bruder nach zwei Monaten
umbringen wollte. Das beruhigt mich. Und damit beziehe ich mich
nicht auf die etwaigen Mordgelüste - sondern auf die Tatsache, dass
sich sogar Brüder in gleicher Weise auf die Nerven gegangen sind.
Vielleicht ist es normal, dass man sich irgendwann nicht mehr sehen
und riechen kann, wenn man so lange Zeit aufeinander hockt ohne eine
Möglichkeit auszuweichen. Einmal mehr, wenn man weder Liebespaar
noch befreundet miteinander ist.
Vielleicht hat es sogar eine gewisse Zwangsläufigkeit.
An diesem
Abend unterhalten wir uns mit Frank, der uns viel über seine
Erlebnisse, Los Angeles und die Staaten erzählt, Ausflugstipps für
die nächsten Tage gibt und außerdem einlädt, einen Tag mit ihm zu
verbringen, damit er uns ein paar andere Seiten der Stadt zeigen
kann. Er legt uns nahe, den Joshua Tree National Park zu besuchen und
rät mir von einem San-Diego-Besuch ab - aufgrund des Traffics.
Daraufhin werden Klaus und ich beschließen, den nächsten Tag
entgegen unserer Planung gemeinsam miteinander zu verbringen. Und
den Joshua Tree NP zu besuchen. Letztlich entscheiden wir uns dafür,
mit einem Auto zu fahren, alles andere wäre Unsinn - ein großer
Fehler. Wie sich herausstellen wird. Wir können es kaum
noch ertragen in einem Auto miteinander zu sitzen. Geschweige denn,
jeweils Rücksicht zu nehmen oder persönliche Abstriche zu machen.
Jeder von uns braucht Raum. Und zwar dringend.
Demzufolge wird dieser Trip über Palm Springs und bis zum Joshua Tree zu einem letzten, kleinen Alptraum für uns verkommen. Und es
wird der letzte Versuch sein, uns in Abhängigkeit voneinander zu
bewegen. Danach fahren wir resolut nur noch mit zwei Autos. Trennen uns,
wenn wir unser Ziel erreicht haben. Und bewegen uns frei. Das
entspannt uns zusehends.
Unsere
Stimmung wird sich an diesem Tag erst bessern, als wir schließlich
den Joshua Tree Park erreichen. Ein Ort voller Mystik und Zauber,
Frank hat nicht zuviel versprochen. Wir sind beide gleichermaßen
angetan und begeistert. Und dennoch froh, als wir Los Angeles wieder
erreichen. Und aus dem Auto steigen können.
Als
wir zur Tür hineintreten, empfängt uns bereits Frank, der an diesem
Abend für uns kochen möchte. Ich schaufle mir zwei Stunden frei, in
denen ich nur für mich sein kann - am nächsten Tag will Frank
bereits wieder einen City Trip mit uns unternehmen - wenn ich nicht
kurz durchatmen kann - bekomme ich echt langsam eine Meise...
Frank
ist ein hervorragender Koch und der Lachs, den er als
Fleischalternative für mich zubereitet, wird der beste sein, den ich
je gegessen habe. Butterweich und mit Honig mariniert - ein Traum.
Er erzählt uns viel über seinen Werdegang und sein Leben - die Zeit, die er als
Rowdy namhafter Bands verbrachte - nicht zuletzt mit den Stones war
er per du. Wilde Parties und Pokerpartien hat es in seinem
Haus gegeben - man bekommt prompt Lust, dabei gewesen zu sein.
Irgendwann gehen wir zu Bett. Und sind für den nächsten Tag mit
Frank verabredet.
Hier
nun besuchen wir den Griffith Park und das Gelände des Griffith
Observatory - es gewährt einen wunderschönen Ausblick auf Los
Angeles und das Hollywood Sign - es ist ein zauberhafter Ort.
Anschließend entführt uns Frank in die Olvera-Street in Downtown,
der ältesten Straße der Stadt und ein heute mexikanisches Viertel,
in dem wir bestens Mexikanisch essen und anschließend über den
mexikanischen Markt dort flanieren. Weiter führt uns unser Weg in
einen Technikmarkt der Extraklasse, der mit seinem kreativen
Interieur zur Erlebniswelt mutiert.
Anschließend kehren wir nach Hause zurück, setzen uns auf die
Terrasse und genießen das grandiose Wetter. Frank präsentiert uns
stolz seine Waffen-Replikate. Und ich lege mich schließlich in die Sonne. Fühle
mich wohl und gut aufgehoben in Franks Gesellschaft. Denn er bietet
nicht nur äußerlich, sondern ebenfalls in seiner Emotionalität und
Wärme wohltuenden Kontrast zu Klaus. In ihrer Leidenschaft für
Regeln und Vorschriften gehen die beiden allerdings zweifelsfrei
konform... In dieser Hinsicht habe ich nun zwei von dieser Sorte.
Am
späten Nachmittag beschließen Klaus und ich, noch zum Santa Monica
Pier zu fahren - und tun dies auch. Mit zwei Autos. Stunden später
werden wir ihn auch erreichen - wir geraten wieder einmal in die Rush-Hour auf unserem Weg. Fast schon bin ich angehalten umzukehren
- der Traffic nimmt mir zwischenzeitlich die Lust. Sehnsuchtsvoll
denke ich daran, einfach auf der Terrasse in der Sonne liegengeblieben zu
sein.
Aber
wir erreichen unser Ziel, schlendern über den Pier, auf dem Rückweg
werde ich mir noch die Santa Monica Main Street zu Gemüte führen und
schließlich auf dem Heimweg wesentlich besser vorankommen. Die Sonne
geht unter - und es ist gerade dunkel geworden, als ich Downtown
passiere - die hell erleuchtete Skyline ergibt einen wundervollen
Anblick. In North Hollywood angekommen esse ich etwas und setze mich
schließlich vor den Rechner.
Am
nächsten Tag, dem letzten vor unserer Heimkehr, haben wir das Getty
Center auf dem Plan. Wir fahren frühzeitig los, mit zwei Autos
natürlich, haben Glück mit dem Verkehr, der in diese Richtung, aus
der Stadt hinaus, zu dieser Zeit weniger dicht und ausgeprägt ist,
und treffen am Vormittag in Brentwood ein. Eine Führung wird uns
empfohlen, die ich nach fünf Minuten wieder verlasse - es strengt
mich an, in Tip-Top-Schritten durch die Räume und diese Sammlung zu
schreiten - noch dazu mit ausufernden Details über ausgewählte
Stücke belangt zu werden - dafür habe ich, angesichts der Menge an
Objekten - einfach keinen Kopf. Ich gehe also meiner eigenen Wege -
und auch Klaus wird dies nach der Führung tun. Wir begegnen uns
immer mal wieder auf dem Areal des Centers - machen aber jeder sein
eigenes Ding. Der Komplex des Getty Centers - immerhin eine
Milliarde hat er gekostet - ist wundervoll - ebenso der Ausblick auf
LA. Die Kunstsammlung ist in der Tat beeindruckend - am meisten tut
es mir an diesem Tag allerdings eine Wanderausstellung an - 'L.A.
Style' - mit Fotografien und Videos von Herb Ritts.
Und
beeindrucken tue ebenfalls ich - und zwar den Black Stuff mit meinem
Lakers Baseball Cap. Als ich die musealen Hallen durchwandere,
grinsen die schwarzen Aufseher und sprechen mich wiederholt darauf an - was ich
nicht weiß: Die Lakers haben am Vortag wieder ein Spiel gehabt. Und
es verloren. Mit meinem Cap repräsentiere ich nun höchste
Solidarität. Den Lakers-Fans unter den Aufsehern gefällt das - einer
der Aufseher fordert mich schließlich zum Shake Hands auf.
Shake Hands im Getty-Center mit dem Black Stuff - ich liebe es.
Welch' zauberhafte Abwechslung zu einem intellektuellen Ernst - dem
hier natürlich immer wieder zu begegnen ist. Wie es die Sache mit
sich bringt.
Das
Lakers-Cap soll mir an diesem Tage noch mehr Glück bringen. Bevor
ich es am Folgetag schließlich im Jurassic Park Ride in den
Universal Studios versenken werde. Hier ist es noch an meiner Seite.
Als
ich das Getty Center nach drei Stunden verlasse, mache ich mich auf
in Richtung Ozean. Ich möchte ein letztes Mal das Meer besuchen.
Bevor es an die Heimreise geht. Als ich auf den Pacific Coast
Highway auffahre, entdecke ich plötzlich ein Hinweisschild mit der
Aufschrift 'Getty Villa' - im Getty Center war häufiger von ihr die
Rede - hier nun kreuzen sich direkt unsere Wege. Dann nehme ich sie
also auch noch mit - ich nehme eine Abzweigung und folge der
Beschilderung - und lande direkt in der Einfahrt zur Getty Villa.
Zwar ist der Eintritt auch hier kostenlos - aber ich werde
feststellen, dass man Tickets und eine Reservierung benötigt - die
im Vorfeld zu tätigen ist. Auch hier ein schwarzhäutiger
Kontrolleur, der begeistert von meiner Lakers-Cap ist. Ich bin schon
wieder auf dem Weg umzukehren und sage, dass ich leider kein Ticket
hätte - da gebietet er mir Einhalt und sagt, dass sie ein
definiertes Extrakontingent hätten. Ich bekomme ein Ticket von ihm.
Und auch hier noch einmal Shake Hands.
Die
Getty-Villa ist ein Traum. Eine Anlage, wie sie zauberhafter kaum
sein könnte. Ich schaue mir den Film über Paul Getty an, der dort
gezeigt wird, durchschreite die Sammlung - bestaune die Gärten und
Villa. Auf dem Rückweg zum Parkhaus spricht mich der junge
Angestellte vom Informationsschalter an, wir kommen ins Gespräch. Er
nun erzählt mir etliches über die Dating-Situation in LA und das
spezielle Anbahnungsverhalten ihrer Einwohner - interessant.
Zuguterletzt legt er mir eindringlich nahe: 'Do not use the Highway.
Do not use the Highway!!' - und zeichnet mir auf einen Zettel eine
alternative Route zurück nach North Hollywood. Quer durch die Santa
Monica Hills.
Er selbst nähme jeden Tag diesen Weg zu sich nach Hause.
Ich werde es lieben, sagt er zu mir. Und damit wird er
Recht behalten. Ich habe eine wunderschöne Heimfahrt. Fernab
jeglicher Highways, Rush-Hours und Stunden von Wartezeit.
Aber
bevor ich meinen Rückweg durch die Santa Monica Hills antrete,
möchte ich noch zum Meer. Mich verabschieden von ihm. Ich fahre den
Pacific Coast Highway hinauf - fast bis ans Ende von Malibu - halte
auf dem Rückweg an einer Stelle an - und gehe an den Strand. Ich
nehme Abschied vom Pazifischen Ozean, wate mit den Füßen im Wasser,
studiere das Treibgut, die Pflanzen, Muscheln und Tiere, die das
Meer angeschwemmt hat, laufe barfuß im Sand. Goodbye, geliebtes
Meer. Ich hoffe - bis bald.
Nun
geht es durch die Santa Monica Hills. Und schließlich nach Hause.
Ich muss noch packen und etliches vorbereiten, bevor es morgen an
den Check-Out geht. Unser Flug wird zwar erst in den späten
Abendstunden gehen. Aber wir werden dennoch frühzeitig auschecken
und Franks Haus verlassen - Klaus' Mietwagen abgeben und schließlich
nochmals die Universal Studios besuchen. Derzeit erhält jeder
Besucher ein Freiticket für einen weiteren Besuch - diesen wollen
wir morgen realisieren.
Bevor
ich zurück zu Frank fahre, möchte ich allerdings noch einkaufen
gehen. Ein paar Mitbringsel stehen noch aus, außerdem mein
Abendessen - und auch eine Kleinigkeit als Dankeschön für Frank
möchte ich besorgen.
Im
Supermarkt treffe ich auf Klaus. Zwei Dumme, ein Gedanke. Auch er
hält Ausschau nach einem kleinen Präsent für unseren Gastgeber. Also
denken wir gemeinsam nach. Einigen uns schließlich auf eine Flasche
Sherry, um damit Franks Kochkünsten zu huldigen. Er benutzt gerne
Sherry in der Küche.
Klaus'
und mein Umgang ist entspannt in diesem Moment - wir beide wissen,
es geht nach Hause. Nicht mehr lange - und wir sind einander los.
Jedoch - als es lediglich um die Auswahl des Sherrys gehen soll -
kriege ich nach ein paar Minuten schon wieder die Krise. Es ist
einfach null Kapazität mehr vorhanden. Zero. Kein kleines bisschen.
Wir
vereinbaren, dass ich eine Dankeschön-Karte aussuche, und er derweil
den Sherry, und als ich mit der Karte zurückkehre, finde ich ihn bei
den Spirituosen, wie er Flasche für Flasche auf den Aufdruck
'Sherry' überprüft - er hat ihn noch nicht gefunden. Und ist erst
bei Regal zwei. Von fünf. Es kann sich nur noch um Stunden handeln.
Zwar hat er einen Mitarbeiter gefragt, aber der hatte keine Ahnung.
Weshalb fragt er keinen zweiten? Ich krieg' die Krise. Habe keine
Lust, meinen letzten Abend in LA vor dem
Spirituosenregal zu verbringen. Mir endlos anmutende 10 Minuten
wohne ich der Szene bei - dann schnappe ich mir kurzerhand einen
Mitarbeiter und frage wiederholt nach dem Standort von Sherry. Er
zeigt ihn mir. Er steht in Regal eins. An dem sind wir schon vorbei.
Hallelujah. Wir hätten nach Abschluss von Regal fünf gleich noch
einmal von vorne beginnen können.
Ende
gut, alles gut. Unsere Wege trennen sich wieder - ich fahre direkt
nach Hause, Klaus möchte noch etwas essen gehen. Den Abend werden
wir mit Packen, Organisation und Abrechnung verbringen.
Einmal
schlafen noch. Das letzte Mal gemeinsam in einem Bett. Seit Tagen
bereits zähle ich den Countdown hinab. Ich bin mir sicher, dass er
es ebenfalls tut.
Zu
fortgeschrittener Stunde lege ich mich todmüde hin. Aber ich kann
nicht schlafen. Höre die Koyoten draußen jaulen - und stehe unvermittelt im
Bett. Ich habe Angst. Eine irrationale, mir kaum begründbare Angst -
die mich hier nun vom Schlafen abhält. Was ist das?
Ich
lasse Mark über Whatsapp wissen, wie es um mich steht. Ich kann mir
meinen Zustand nicht erklären. Mark bietet mir an, mich anzurufen.
Ich setze mich ins Wohnzimmer, entscheide mich, ein Bier zu trinken,
um mir das Einschlafen zu erleichtern - und telefoniere mit Mark.
Das Wohnzimmer trennt eine Glasfront vom Garten - überall habe ich
das Gefühl, Koyoten zu orten, fühle mich von ihnen angestarrt -
irgendetwas ist mit mir.
Mark
beruhigt mich, sagt, dass das der Stress des Heimkehrens wäre. Des
Wissens, dass ich nun in mein altes Leben zurückkehre. Und ich
schätze, er hat Recht. Ich will nicht nach Hause. Ich will
hierbleiben. Für immer. Bekomme Bauchschmerzen, wenn ich daran
denke, was zu Hause auf mich wartet. Respektive daran denke, was
dort nicht auf mich wartet.
Auf
die Katzen freue ich mich. Auf Kaya. Darauf, allein sein zu können.
Eine Tür hinter mir zu schließen, mit dem Wissen, dass sie sich erst
wieder öffnen wird, wenn ich es veranlasse. Niemanden zu sehen, solange ich
es nicht möchte - und vor allen Dingen entscheiden zu können, wer es
ist, den ich dann zu Gesicht bekomme.
Dies
sind die Dinge, auf die ich mich freue. Darüber hinaus fällt mir
nichts ein.
Denn
es sind vor allen Dingen Baustellen, die auf mich warten. Und ich
habe nicht mal den Ansatz eines Plans oder einer Idee, was ich mit
ihnen anfangen könnte. Fühle mich genauso richtungslos wie vor
Antritt der Reise. Entwurzelt. Ohne Perspektive.
Ein
Telefonat und ein Bier später finde ich doch noch zur Ruhe. Ich lege
mich erneut ins Bett.
Und
schlafe ein. Träume mich meiner Heimkehr entgegen.