14th - 18th April


 

Und schon wieder sind wir umgezogen. Ein letztes Mal haben wir nun unser Quartier gewechselt - dies wird nun definitiv der letzte Standort vor unserer Rückkehr nach Deutschland sein. Am Samstagmorgen packen wir wiederholt unsere gesammelten Siebensachen in unseren Chevy SUV, verabschieden uns von Corey, Jackie, Jeff und den Hunden, besteigen ein letztes Mal den Aussichtspunkt am Hügel, von dem aus sich Hollywood Sign, Reservoir, LA sowie Chris Brown von ihrer besten Seite präsentieren - und nehmen dann den Weg die Serpentinen hinab in Richtung North Hollywood.

 

In Studio City werden wir nun wohnen, nahezu fußläufig zu den Universal Studios, in einem als 'Luxury Home' angepriesenen Haus mit Pool, Jacuzzi und Garten. Bei Frank, unserem Gastgeber. Wir sind gespannt.

 

Tatsächlich soll das 'Luxury Home' seinem Namen absolut gerecht werden - ich fühle mich auf Anhieb wohl - obgleich das Haus von Regeln beherrscht zu sein scheint. Überall finden sich Zettel und Schilder mit Anweisungen darauf - im Eingangsbereich empfängt uns eine dreiseitige Hausordnung. Wir sollen sie bitte lesen und unterzeichnen - lesen tun wir sie - zur Unterzeichnung kommt es leider nicht mehr. In Ermangelung von Papier werde ich am Abend mein Ticket für das morgige Lakers-Spiel auf ihrer Rückseite ausdrucken müssen.

 

Frank ist nicht zuhause, als wir eintreffen. Er befindet sich gerade in New York und wird erst morgen zurückkehren - den Schlüssel für das Haus hat er unterdessen für uns in einer Lockbox an der Eingangstür platziert.

 

Ich werde das Haus an diesem Abend ganz für mich alleine haben - Klaus ist unterwegs. Ich genieße die Ruhe, den Frieden, das Alleinsein - darf mich als Hausherrin fühlen, bewege mich frei und schlafe letztlich so gut wie lange nicht mehr. Tief. Fest. Wie ein Baby. Nach dieser Nacht soll es sodann auch wieder vorbei sein mit dem Frieden.

 

Frank hat bei unserer Ankunft alle privaten Räume abgeschlossen, ebenfalls die anderen Gästezimmer - lediglich der Wohnbereich, die Küche, unser Bad sowie der uns zugewiesene Master-Guestroom stehen uns offen. Auf dem Bett thront ein riesiges Kuscheltier - ein Hase in der Größe eines Zehnjährigen - der das gesamte Zimmer dominiert - das in seiner Einrichtung sowieso nahezu kitschig wirken soll. Kaum vereinbar mit dem Bild eines gestandenen Mannes, das Frank fraglos vermittelt. Es hängen viele Bilder von ihm an den Wänden. Häufig zeigen sie ihn mit seiner jugendlichen Tochter - eine dazugehörige Frau ist hingegen nirgends abgebildet. Alles in allem will sich hier der Eindruck eines Mannes transportieren, der gleichermaßen tough wie bedürftig zu sein scheint - mit einer nahezu schmerzhaften Sehnsucht nach Liebe, Wärme und Gesellschaft. Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb er Zimmer vermietet. Die Fotos zeigen ihn in konservativer, aufgeräumter Weise - auf fast allen ist lediglich sein Kopf zu sehen. All diese Abbildungen lassen kaum vermuten, wem wir am nächsten Tag begegnen werden - einem bis auf die Handrücken tättowierten Biker mit Harley Davidson und in Lederkluft. That's Frank.

 

Allerdings soll ich meinerseits bereits vorgewarnt sein. Als ich am Abend auf dem Rechner von Frank Skype installiere, verlangt der Installationsvorgang erneut ein Profilbild von mir - kurzfristig suche ich auf dem Rechner nach etwas provisorisch Tauglichem - und stoße dabei auf den Ordner 'Frank's best Harley-Shots' - Bilder, die ihn in bester Biker-Manier mit nacktem Oberkörper, samt seiner zahlreichen Tattoos und auf seiner Harley zeigen - ich bin amüsiert und entwende - angesichts fehlender Alternativen - eines davon prompt als provisorisches Profilbild für mich auf Skype. Zeitgleich freue ich mich auf das Gesicht von Klaus, wenn er Frank das erste Mal begegnet - er ahnt ja noch nichts von Frank's tatsächlicher Beschaffenheit. Zu meiner Enttäuschung wird er sich jedoch kaum etwas anmerken lassen.

 

Als wir eintreffen bei Frank, unser Gepäck ausgeladen und begeistert das Haus erkundet haben, soll es keine paar Minuten dauern, bis wir in einen handfesten Streit geraten und uns schließlich überwerfen. Ich habe echt keinen Bock mehr auf den Typen. Auf seine Sachlichkeitsnummer, Rationalität und Spaßlosigkeit. Werfe ihm im Laufe des Disputs vor die Füße, wie es denn zur Abwechslung mal mit Nähe, Wärme und Heiterkeit wäre. Ich schätze, er hat sich die Vokabeln notiert - um sie anschließend nachzuschlagen. Mit Grauen denke ich daran, mir die nächsten fünf Nächte wieder ein Bett mit ihm teilen zu müssen. Gehe davon aus, am darauffolgenden Morgen den Monsterhasen als Barriere zwischen uns zu finden. Und überlege schließlich, das Kuscheltiermonstrum eigenhändig ins Bett zu verfrachten - als dies am nächsten Morgen nicht der Fall sein soll. Noch nicht einmal eine Barriere aus Kissen hat er zwischen uns gebaut. Wahrscheinlich war er bei seiner Rückkehr betrunken.

 

Mit diesem Disput haben wir uns nun endgültig an die Wand gefahren. Es ist kaum mehr etwas zu retten. Aber wir reißen uns zusammen. Wiederholt. Kommen darin überein, dass sich Klaus einen zweiten Wagen, ein eigenes Mietauto für den Rest unseres Aufenthalts holen wird, damit wir uns noch unabhängiger voneinander bewegen können. Und starten schließlich unser Tagesprogramm wie geplant. Die Universal Studios stehen heute auf dem Plan.

 

Zuallererst fahren wir bei einem mexikanischen Autohändler vorbei, der 'Low, Low Rates' verheißt, den Klaus sich bereits ausgeguckt hatte und ihm schließlich eine dunkelgrüne Gangsterkarre unter den Hintern schiebt - eines Fabrikats, das uns beiden unbekannt sein soll und bisher noch nie begegnet ist. Der Wagen wippt beim Fahren und macht Geräusche - bei jeder Erschütterung scheppert er und es rappelt blechern - als wir in einer Kolonne zurück in Richtung Frank's Haus fahren, um das Auto vorerst dort abzustellen, und ich hinter Klaus navigiere, amüsiere ich mich königlich. Und habe unversehens meine gute Laune zurück.

 

Anschließend steigt Klaus zu mir ins Auto und wir besuchen die Universal Studios. Es wird ein schöner Tag.

 

Am nächsten Tag, Sonntag, besuche ich ein Spiel der Lakers gegen die Dallas Mavericks inkl. Dirk Nowitzki. Ich habe mich super darauf gefreut - und tatsächlich soll dieser Stadionbesuch zu einem echten Highlight der Reise werden. Und jeden Cent wert. Wäre Klaus mitgekommen, hätten wir die Tickets im Doppelpack wesentlich günstiger bekommen - aber er hat keine Lust. Welch' eine Sünde... Wenn schon so ein Spiel exakt in unseren Aufenthaltsraum fällt.

 

Das Spiel findet im Staples Center in Downtown statt. Das Stadion ist gefüllt bis unter's Dach. In der Mehrzahl Lakers-Fans. Natürlich. Sie gewinnen nach einem bis zuletzt spannenden Spiel knapp mit 112:108. Der Jubel ist groß. Ich genieße die Atmosphäre. Und sauge jede Minute auf.

 

Anschließend mache ich mich auf den Heimweg. Auf der Suche nach der Freeway-Auffahrt verfahre ich mich. Fahre immer tiefer in Downtown hinein, ohne noch zu wissen, wo ich bin. Nehme die Sache aber gelassen und freue mich, auf diese Weise nun einem noch unentdeckten Teil von LA zu begegnen. Ich fahre Straßenecke um Straßenecke - bis ich mich unverhofft und plötzlich in einem der viel gerühmten Ghettos wiederfinde. Was sich mir hier nun eröffnet, soll mich zutiefst schockieren. So etwas habe ich in meinem Leben noch nicht gesehen. Die Straßenwege sind dicht bevölkert von überwiegend schwarzen Menschen, Obdachlose, Kranke, Lädierte, Alte - Massen von ihnen bewegen sich hier. Zu Beginn denke ich noch, als ich die Menschen mit ihren Siebensachen aufgereiht am Straßenrand sitzen sehe - hier fände ein Flohmarkt statt oder dergleichen. Schnell wird klar, dass das hier kein Flohmarkt ist. Das ist Realität. Und zugleich Alltag. Und zwar ein ganz fürchterlicher. Ich bin zutiefst berührt und bekomme es gleichzeitig mit der Angst zu tun. Security steht alle zwei Meter. Und dennoch wird offensichtlich, dass hier im Zweifelsfall auch keine Security helfen kann. Diese Menschen hier haben nichts zu verlieren. Gar nichts. Noch nicht einmal ihr Leben. Denn als ein solches kann man das nicht bezeichnen. Das aber lässt diese Menschen sehr gefährlich werden.

 

Ein Security-Mann läuft mir vor das Auto. Nimmt Blickkontakt auf und demonstriert mir seine Gegenwart. Gibt mir aber gleichzeitig zu verstehen, dass ich mich besser vom Acker mache. Dass ich in dieser Gegend nichts zu suchen habe.

 

Ich fahre auf die mittlere Fahrbahn, um mich nicht am Straßenrand bewegen zu müssen, verriegle die Türen von innen - und suche schnellstmöglich wegzukommen. Es wird mir gelingen. So unvermittelt, wie ich in diesem Areal landete, gelange ich auch aus ihm hinaus. Und stehe dennoch nachhaltig unter dem Eindruck dieser Szenerie. Es mutet an, als hätte ich ausversehen die Tür zur Hölle geöffnet. Hier ist es also - das andere Los Angeles. Die Gegenseite zu all den gepflegten, geleckten und aalglatten Menschen. Ein Gegensatz, der kontrastreicher nicht ausfallen könnte. Es wirkt fast, als hätte man all das Üble, Schlechte und Erbärmliche gesammelt, um es in diesem Ghetto wegzusperren und zusammenzupferchen.

 

Als ich zurück in Studio City und bei unserer Bleibe angelangt bin, treffe ich auf Frank. Ich habe mir Pizza auf dem Rückweg gekauft, wir setzen uns in den Garten und unterhalten uns. Später werden wir ins Wohnzimmer übersiedeln. Frank fragt mich, weshalb ich so früh zuhause bin - und weshalb alleine unterwegs. Ich sage ihm, dass ich die Ruhe hier genieße, nach all den geballten Eindrücken der letzten Zeit - und innerhalb von Minuten hat er heraus, wie es um Klaus und mich inzwischen bestellt ist. Er erzählt, dass er als junger Erwachsener mit seinem Zwillingsbruder einen fünfmonatigen Trip durch Europa unternahm. Und dass er seinen Bruder nach zwei Monaten umbringen wollte. Das beruhigt mich. Und damit beziehe ich mich nicht auf die etwaigen Mordgelüste - sondern auf die Tatsache, dass sich sogar Brüder in gleicher Weise auf die Nerven gegangen sind. Vielleicht ist es normal, dass man sich irgendwann nicht mehr sehen und riechen kann, wenn man so lange Zeit aufeinander hockt ohne eine Möglichkeit auszuweichen. Einmal mehr, wenn man weder Liebespaar noch befreundet miteinander ist. Vielleicht hat es sogar eine gewisse Zwangsläufigkeit.

 

An diesem Abend unterhalten wir uns mit Frank, der uns viel über seine Erlebnisse, Los Angeles und die Staaten erzählt, Ausflugstipps für die nächsten Tage gibt und außerdem einlädt, einen Tag mit ihm zu verbringen, damit er uns ein paar andere Seiten der Stadt zeigen kann. Er legt uns nahe, den Joshua Tree National Park zu besuchen und rät mir von einem San-Diego-Besuch ab - aufgrund des Traffics. Daraufhin werden Klaus und ich beschließen, den nächsten Tag entgegen unserer Planung gemeinsam miteinander zu verbringen. Und den Joshua Tree NP zu besuchen. Letztlich entscheiden wir uns dafür, mit einem Auto zu fahren, alles andere wäre Unsinn - ein großer Fehler. Wie sich herausstellen wird. Wir können es kaum noch ertragen in einem Auto miteinander zu sitzen. Geschweige denn, jeweils Rücksicht zu nehmen oder persönliche Abstriche zu machen. Jeder von uns braucht Raum. Und zwar dringend.

 

Demzufolge wird dieser Trip über Palm Springs und bis zum Joshua Tree zu einem letzten, kleinen Alptraum für uns verkommen. Und es wird der letzte Versuch sein, uns in Abhängigkeit voneinander zu bewegen. Danach fahren wir resolut nur noch mit zwei Autos. Trennen uns, wenn wir unser Ziel erreicht haben. Und bewegen uns frei. Das entspannt uns zusehends.

 

Unsere Stimmung wird sich an diesem Tag erst bessern, als wir schließlich den Joshua Tree Park erreichen. Ein Ort voller Mystik und Zauber, Frank hat nicht zuviel versprochen. Wir sind beide gleichermaßen angetan und begeistert. Und dennoch froh, als wir Los Angeles wieder erreichen. Und aus dem Auto steigen können.

 

Als wir zur Tür hineintreten, empfängt uns bereits Frank, der an diesem Abend für uns kochen möchte. Ich schaufle mir zwei Stunden frei, in denen ich nur für mich sein kann - am nächsten Tag will Frank bereits wieder einen City Trip mit uns unternehmen - wenn ich nicht kurz durchatmen kann - bekomme ich echt langsam eine Meise...

 

Frank ist ein hervorragender Koch und der Lachs, den er als Fleischalternative für mich zubereitet, wird der beste sein, den ich je gegessen habe. Butterweich und mit Honig mariniert - ein Traum. Er erzählt uns viel über seinen Werdegang und sein Leben - die Zeit, die er als Rowdy namhafter Bands verbrachte - nicht zuletzt mit den Stones war er per du. Wilde Parties  und Pokerpartien hat es in seinem Haus gegeben - man bekommt prompt Lust, dabei gewesen zu sein.

 

Irgendwann gehen wir zu Bett. Und sind für den nächsten Tag mit Frank verabredet.

 

Hier nun besuchen wir den Griffith Park und das Gelände des Griffith Observatory - es gewährt einen wunderschönen Ausblick auf Los Angeles und das Hollywood Sign - es ist ein zauberhafter Ort. Anschließend entführt uns Frank in die Olvera-Street in Downtown, der ältesten Straße der Stadt und ein heute mexikanisches Viertel, in dem wir bestens Mexikanisch essen und anschließend über den mexikanischen Markt dort flanieren. Weiter führt uns unser Weg in einen Technikmarkt der Extraklasse, der mit seinem kreativen Interieur zur Erlebniswelt mutiert.

 

Anschließend kehren wir nach Hause zurück, setzen uns auf die Terrasse und genießen das grandiose Wetter. Frank präsentiert uns stolz seine Waffen-Replikate. Und ich lege mich schließlich in die Sonne. Fühle mich wohl und gut aufgehoben in Franks Gesellschaft. Denn er bietet nicht nur äußerlich, sondern ebenfalls in seiner Emotionalität und Wärme wohltuenden Kontrast zu Klaus. In ihrer Leidenschaft für Regeln und Vorschriften gehen die beiden allerdings zweifelsfrei konform... In dieser Hinsicht habe ich nun zwei von dieser Sorte.

 

Am späten Nachmittag beschließen Klaus und ich, noch zum Santa Monica Pier zu fahren - und tun dies auch. Mit zwei Autos. Stunden später werden wir ihn auch erreichen - wir geraten wieder einmal in die Rush-Hour auf unserem Weg. Fast schon bin ich angehalten umzukehren - der Traffic nimmt mir zwischenzeitlich die Lust. Sehnsuchtsvoll denke ich daran, einfach auf der Terrasse in der Sonne liegengeblieben zu sein.

 

Aber wir erreichen unser Ziel, schlendern über den Pier, auf dem Rückweg werde ich mir noch die Santa Monica Main Street zu Gemüte führen und schließlich auf dem Heimweg wesentlich besser vorankommen. Die Sonne geht unter - und es ist gerade dunkel geworden, als ich Downtown passiere - die hell erleuchtete Skyline ergibt einen wundervollen Anblick. In North Hollywood angekommen esse ich etwas und setze mich schließlich vor den Rechner.

 

Am nächsten Tag, dem letzten vor unserer Heimkehr, haben wir das Getty Center auf dem Plan. Wir fahren frühzeitig los, mit zwei Autos natürlich, haben Glück mit dem Verkehr, der in diese Richtung, aus der Stadt hinaus, zu dieser Zeit weniger dicht und ausgeprägt ist, und treffen am Vormittag in Brentwood ein. Eine Führung wird uns empfohlen, die ich nach fünf Minuten wieder verlasse - es strengt mich an, in Tip-Top-Schritten durch die Räume und diese Sammlung zu schreiten - noch dazu mit ausufernden Details über ausgewählte Stücke belangt zu werden - dafür habe ich, angesichts der Menge an Objekten - einfach keinen Kopf. Ich gehe also meiner eigenen Wege - und auch Klaus wird dies nach der Führung tun. Wir begegnen uns immer mal wieder auf dem Areal des Centers - machen aber jeder sein eigenes Ding. Der Komplex des Getty Centers - immerhin eine Milliarde hat er gekostet - ist wundervoll - ebenso der Ausblick auf LA. Die Kunstsammlung ist in der Tat beeindruckend - am meisten tut es mir an diesem Tag allerdings eine Wanderausstellung an - 'L.A. Style' - mit Fotografien und Videos von Herb Ritts.

 

Und beeindrucken tue ebenfalls ich - und zwar den Black Stuff mit meinem Lakers Baseball Cap. Als ich die musealen Hallen durchwandere, grinsen die schwarzen Aufseher und sprechen mich wiederholt darauf an - was ich nicht weiß: Die Lakers haben am Vortag wieder ein Spiel gehabt. Und es verloren. Mit meinem Cap repräsentiere ich nun höchste Solidarität. Den Lakers-Fans unter den Aufsehern gefällt das - einer der Aufseher fordert mich schließlich zum Shake Hands auf. Shake Hands im Getty-Center mit dem Black Stuff - ich liebe es. Welch' zauberhafte Abwechslung zu einem intellektuellen Ernst - dem hier natürlich immer wieder zu begegnen ist. Wie es die Sache mit sich bringt.

 

Das Lakers-Cap soll mir an diesem Tage noch mehr Glück bringen. Bevor ich es am Folgetag schließlich im Jurassic Park Ride in den Universal Studios versenken werde. Hier ist es noch an meiner Seite.

 

Als ich das Getty Center nach drei Stunden verlasse, mache ich mich auf in Richtung Ozean. Ich möchte ein letztes Mal das Meer besuchen. Bevor es an die Heimreise geht. Als ich auf den Pacific Coast Highway auffahre, entdecke ich plötzlich ein Hinweisschild mit der Aufschrift 'Getty Villa' - im Getty Center war häufiger von ihr die Rede - hier nun kreuzen sich direkt unsere Wege. Dann nehme ich sie also auch noch mit - ich nehme eine Abzweigung und folge der Beschilderung - und lande direkt in der Einfahrt zur Getty Villa. Zwar ist der Eintritt auch hier kostenlos - aber ich werde feststellen, dass man Tickets und eine Reservierung benötigt - die im Vorfeld zu tätigen ist. Auch hier ein schwarzhäutiger Kontrolleur, der begeistert von meiner Lakers-Cap ist. Ich bin schon wieder auf dem Weg umzukehren und sage, dass ich leider kein Ticket hätte - da gebietet er mir Einhalt und sagt, dass sie ein definiertes Extrakontingent hätten. Ich bekomme ein Ticket von ihm. Und auch hier noch einmal Shake Hands.

 

Die Getty-Villa ist ein Traum. Eine Anlage, wie sie zauberhafter kaum sein könnte. Ich schaue mir den Film über Paul Getty an, der dort gezeigt wird, durchschreite die Sammlung - bestaune die Gärten und Villa. Auf dem Rückweg zum Parkhaus spricht mich der junge Angestellte vom Informationsschalter an, wir kommen ins Gespräch. Er nun erzählt mir etliches über die Dating-Situation in LA und das spezielle Anbahnungsverhalten ihrer Einwohner - interessant. Zuguterletzt legt er mir eindringlich nahe: 'Do not use the Highway. Do not use the Highway!!' - und zeichnet mir auf einen Zettel eine alternative Route zurück nach North Hollywood. Quer durch die Santa Monica Hills. Er selbst nähme jeden Tag diesen Weg zu sich nach Hause. Ich werde es lieben, sagt er zu mir. Und damit wird er Recht behalten. Ich habe eine wunderschöne Heimfahrt. Fernab jeglicher Highways, Rush-Hours und Stunden von Wartezeit.

 

Aber bevor ich meinen Rückweg durch die Santa Monica Hills antrete, möchte ich noch zum Meer. Mich verabschieden von ihm. Ich fahre den Pacific Coast Highway hinauf - fast bis ans Ende von Malibu - halte auf dem Rückweg an einer Stelle an - und gehe an den Strand. Ich nehme Abschied vom Pazifischen Ozean, wate mit den Füßen im Wasser, studiere das Treibgut, die Pflanzen, Muscheln und Tiere, die das Meer angeschwemmt hat, laufe barfuß im Sand. Goodbye, geliebtes Meer. Ich hoffe - bis bald.

 

Nun geht es durch die Santa Monica Hills. Und schließlich nach Hause. Ich muss noch packen und etliches vorbereiten, bevor es morgen an den Check-Out geht. Unser Flug wird zwar erst in den späten Abendstunden gehen. Aber wir werden dennoch frühzeitig auschecken und Franks Haus verlassen - Klaus' Mietwagen abgeben und schließlich nochmals die Universal Studios besuchen. Derzeit erhält jeder Besucher ein Freiticket für einen weiteren Besuch - diesen wollen wir morgen realisieren.

 

Bevor ich zurück zu Frank fahre, möchte ich allerdings noch einkaufen gehen. Ein paar Mitbringsel stehen noch aus, außerdem mein Abendessen - und auch eine Kleinigkeit als Dankeschön für Frank möchte ich besorgen.

 

Im Supermarkt treffe ich auf Klaus. Zwei Dumme, ein Gedanke. Auch er hält Ausschau nach einem kleinen Präsent für unseren Gastgeber. Also denken wir gemeinsam nach. Einigen uns schließlich auf eine Flasche Sherry, um damit Franks Kochkünsten zu huldigen. Er benutzt gerne Sherry in der Küche.

 

Klaus' und mein Umgang ist entspannt in diesem Moment - wir beide wissen, es geht nach Hause. Nicht mehr lange - und wir sind einander los. Jedoch - als es lediglich um die Auswahl des Sherrys gehen soll - kriege ich nach ein paar Minuten schon wieder die Krise. Es ist einfach null Kapazität mehr vorhanden. Zero. Kein kleines bisschen.

 

Wir vereinbaren, dass ich eine Dankeschön-Karte aussuche, und er derweil den Sherry, und als ich mit der Karte zurückkehre, finde ich ihn bei den Spirituosen, wie er Flasche für Flasche auf den Aufdruck 'Sherry' überprüft - er hat ihn noch nicht gefunden. Und ist erst bei Regal zwei. Von fünf. Es kann sich nur noch um Stunden handeln. Zwar hat er einen Mitarbeiter gefragt, aber der hatte keine Ahnung. Weshalb fragt er keinen zweiten? Ich krieg' die Krise. Habe keine Lust, meinen letzten Abend in LA vor dem Spirituosenregal zu verbringen. Mir endlos anmutende 10 Minuten wohne ich der Szene bei - dann schnappe ich mir kurzerhand einen Mitarbeiter und frage wiederholt nach dem Standort von Sherry. Er zeigt ihn mir. Er steht in Regal eins. An dem sind wir schon vorbei. Hallelujah. Wir hätten nach Abschluss von Regal fünf gleich noch einmal von vorne beginnen können.

 

Ende gut, alles gut. Unsere Wege trennen sich wieder - ich fahre direkt nach Hause, Klaus möchte noch etwas essen gehen. Den Abend werden wir mit Packen, Organisation und Abrechnung verbringen.

 

Einmal schlafen noch. Das letzte Mal gemeinsam in einem Bett. Seit Tagen bereits zähle ich den Countdown hinab. Ich bin mir sicher, dass er es ebenfalls tut.

 

Zu fortgeschrittener Stunde lege ich mich todmüde hin. Aber ich kann nicht schlafen. Höre die Koyoten draußen jaulen - und stehe unvermittelt im Bett. Ich habe Angst. Eine irrationale, mir kaum begründbare Angst - die mich hier nun vom Schlafen abhält. Was ist das?

 

Ich lasse Mark über Whatsapp wissen, wie es um mich steht. Ich kann mir meinen Zustand nicht erklären. Mark bietet mir an, mich anzurufen. Ich setze mich ins Wohnzimmer, entscheide mich, ein Bier zu trinken, um mir das Einschlafen zu erleichtern - und telefoniere mit Mark. Das Wohnzimmer trennt eine Glasfront vom Garten - überall habe ich das Gefühl, Koyoten zu orten, fühle mich von ihnen angestarrt - irgendetwas ist mit mir.

 

Mark beruhigt mich, sagt, dass das der Stress des Heimkehrens wäre. Des Wissens, dass ich nun in mein altes Leben zurückkehre. Und ich schätze, er hat Recht. Ich will nicht nach Hause. Ich will hierbleiben. Für immer. Bekomme Bauchschmerzen, wenn ich daran denke, was zu Hause auf mich wartet. Respektive daran denke, was dort nicht auf mich wartet.

 

Auf die Katzen freue ich mich. Auf Kaya. Darauf, allein sein zu können. Eine Tür hinter mir zu schließen, mit dem Wissen, dass sie sich erst wieder öffnen wird, wenn ich es veranlasse. Niemanden zu sehen, solange ich es nicht möchte - und vor allen Dingen entscheiden zu können, wer es ist, den ich dann zu Gesicht bekomme.

 

Dies sind die Dinge, auf die ich mich freue. Darüber hinaus fällt mir nichts ein.

 

Denn es sind vor allen Dingen Baustellen, die auf mich warten. Und ich habe nicht mal den Ansatz eines Plans oder einer Idee, was ich mit ihnen anfangen könnte. Fühle mich genauso richtungslos wie vor Antritt der Reise. Entwurzelt. Ohne Perspektive.

 

Ein Telefonat und ein Bier später finde ich doch noch zur Ruhe. Ich lege mich erneut ins Bett.

 

Und schlafe ein. Träume mich meiner Heimkehr entgegen.

 

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© 2o12, Saskia Katharina Krost