18th March
Wir haben einen entspannten, frühlingshaften Sonntag in 'Philly'
verbracht – Philadelphia, der historischen Wiege der Vereinigten
Staaten, wo Unabhängigkeitserklärung und erste Verfassung geboren
wurden. Und natürlich der Prinz von Bel Air...
Eine Metropole mit
beschaulichem, kleinstädtischen Flair, obgleich als sechstgrößte
Metropole der USA benannt. Es ist nicht viel davon zu bemerken. Die
1,5 Mio. Einwohner scheinen sich gut verteilt zu haben - oder
versteckt - zudem eine nahezu lächerliche Zahl bei den gigantischen
Ausmaßen dieses Landes - was den Gegensatz zu Bevölkerungsdichten
nach europäischen Maßstäben nochmals herausarbeitet wie
unterstreicht.
In jeden Fall mehr Raum hat das einzelne Individuum hier als in New
York – merklich auch an ihrem Gebaren. Die Menschen schauen einen
wieder direkt an - anstelle über einen hinweg – nehmen Kontakt auf,
registrieren, sprechen einen an. Sogar die Hunde sind hier anders
unterwegs. Während sie sich in NY der Reizflut und Menge an
Miteinandern gleich den Menschen angepasst haben und auf kaum etwas
reagieren - auch nicht auf ihre Artgenossen – zeigen die Tiere hier
wieder deutliche Gefühlsregung, bellen und laufen auf andere Hunde
zu.
Meine Seele darf indessen aufatmen - Idylle und Sonntagsstimmung
tanken.
Nach dem Besuch der Independence Hall und geschichtsträchtigen Orten
fahren wir nach Germantown – eine einst selbständige Stadt deutscher
Einwanderer - heute ein Stadtviertel von Philadelphia - und ganz
sicher nicht das beste. Dennoch ist die Vergangenheit unverändert
sichtbar. Heute fest in schwarzer Hand bewohnen die Ärmsten der
Gesellschaft nun die Häuser der ehemaligen deutschen Siedler - der
Putz blättert ab, die hübschen Häuser verkommen, da sie nicht
gepflegt werden können - und dennoch bleibt die Atmosphäre
vergangener Zeiten spürbar. Es scheint mir wie ein zauberhafter,
verwunschener Ort - Nebelschwaden von Erinnerungen ziehen in mir auf
- ich fühle mich zurückkatapultiert in zurückliegende Zeiten - von
denen ich nicht einmal weiß, ob ich sie kenne.
Ebenso entspannt wie der Tag gestaltete sich unser heutiges
Miteinander. Erst am Abend soll sich das kurzfristig ändern - als
es um das Etappenziel dieses Tages gehen will. Ursprünglich hatten wir uns
zum Ziel gesetzt, bis kurz vor Washington D.C. zu fahren, um es am
nächsten Morgen nicht zu weit zu haben und nicht mit einer
zusätzlichen
Anfahrt beschäftigt zu sein - und sind nun noch nicht einmal auf
der Hälfte. Aber Klaus ist müde, will pausieren und ein Hotel
ansteuern. Ich will weiterfahren. Washington D.C. näherkommen.
Mosere, dass wir noch am St.-Nimmerleinstag an der Ostküste
herumkurven werden, wenn wir so weitermachen. Weiß aber, dass es
an mir ist, ihn abzulösen, wenn ich weiterfahren will. Bisher
habe ich mich nicht ans Steuer getraut und einzig Klaus ist gefahren.
Unser Wagen ist um etliches größer als die Modelle, die ich bisher
gefahren bin - Klaus hatte es ausgewählt - eine Männerwahl eben
- und
ich versuchte deshalb, den Moment noch hinauszuzögern, an dem ich mich
hinter das Steuer setzen würde. Ich fühle mich unsicher. Zumal auf
amerikanischen Straßen.
Denn so sehr ich es liebe, Auto zu fahren - das letzte Mal war ich in
den Staaten nicht gerne gefahren. Unser Mietwagen hatte damals einen
leichten Rechtszug verzeichnet, dem man kontinuierlich
entgegensteuern musste - dazu die andauernde Fahrt auf Interstates
und Highways - sowie die allgegenwärtigen Trucks, die hier hinter,
vor und neben einem fahren - denn es existiert kein Rechtsfahrgebot,
wie in Deutschland üblich. Lediglich eine strikte
Geschwindigkeitsbegrenzung. Weshalb man als Pkw permanent damit
beschäftigt ist, Trucks zu überholen. Die man hier allerdings auf
allen Seiten hat.
Nun also heißt es, Mut zu zeigen, mich zu überwinden - oder den Plan
aufzugeben, Washington D.C. heute noch zu erreichen. Ich überwinde
mich. Setzte mich ans Steuer.
Und siehe da: Der Wagen fährt sich wunderbar. Der Herr hat eine gute
Wahl getroffen.
Ich habe meine Feuertaufe somit also bereits am zweiten Tag genossen - und
darf dieses Mal meine Liebe zum Autofahren auch über den Ozean mit
mir führen. Ich genieße das Autofahren bei diesem Aufenthalt.
Darüber bin ich echt glücklich.
Und Washington D.C. sollen wir derart an diesem Tag ebenfalls noch
erreichen. Klaus inzwischen wieder putzmunter - die
Beifahrerposition hat ihn belebt. Und ich nun hundemüde. Wir haben nicht nur die
Plätze - sondern auch die Positionen getauscht...
Müde, aber zufrieden steuern wir spätabends Hotel & einen Supermarket an, um noch Lebensmittel einzukaufen. Und
ich belohne meine Tapferkeit mit einem mitternächtlichen Bad, während
Klaus
bereits schläft...