20th March
Schlecht geschlafen habe ich.
Respektive überhaupt nicht. Im Anschluss an unseren Besuch von
Gettysburg sind wir gestern nach Lancaster, Pennsylvania, weitergefahren, wo wir
an diesem Tag übernachten wollten. Amish County steht für uns
am nächsten Tag auf dem Programm – und wir wollen den Amish bereits
so nahe wie möglich sein. Dies sind wir hiermit. Und nah sind wir
unfreiwillig auch diesem: Dem Zwielicht. Genaugenommen trennt uns
lediglich eine Verbindungstür. Was meine friedvolle Nachtruhe
äußerst erschweren soll.
Den ganzen Tag verspürte ich bereits
Appetit auf ein fettiges, großes Stück Pizza. Und natürlich: Ein
Pizza Hut findet sich. Dort begegnen wir auch den ersten Amish - ein
junges Mädchen und ein Junge, die dort sitzen und speisen. Wir
denken erst, es handle sich um kostümierte Touristen, die sich
bereits voll im Thema befanden... Denn es erscheint uns untypisch,
sie gerade bei Pizza Hut anzutreffen. Aber wir sollen später
erfahren, dass den jugendlichen Amish in der Phase des Heranwachsens
besondere Freiheiten gewährt werden - bevor sie sich freiwillig für
ihre Glaubenszugehörigkeit - und somit ein Leben nach den Regeln der
Amish entscheiden.
Nachdem wir unsere Pizza in Sack und
Tüten haben, entscheiden wir uns für eines der Motels vor Ort. Beim Check-In versäume ich anzugeben, dass wir ein Zimmer ohne
Verbindungstür wünschen – dies ist unsere erste Motelübernachtung -
in NY und Washington hatten wir in Inns und Hotels genächtigt - und
ich bin nicht mehr geübt in der Materie. Zum anderen bin ich derart
fokussiert auf meinen Wunsch von Twin-Beds, dass ich die
Verbindungstür darüber schlichtweg vergesse. Ergo: Wir erhalten ein
Zimmer mit Twin-Beds. Und: Mit Verbindungstür. Gängig in
amerikanischen Motels verbinden diese Türen zwei Zimmer miteinander,
die auf diese Art vergrößert werden können. Im Sinne einer möglichen
Familienzusammenführung. Nun führen diese Türen aber gegebenenfalls
nicht nur Familien zusammen - sondern gleichfalls Verbrecher und
Opfer. Denn diese Türen liegen innerhalb der Räume - was ein
potentielles Verbrechen nach außen erst einmal unsichtbar sein
lässt. Zumindest theoretisch. Ihre vorgesehene Absicht ist dies wie
gesagt nicht.
Mancher Reiseführer weiß explizit
darauf hinzuweisen, dass solche Zimmer aus Sicherheitsgründen
gemieden werden sollten.
Mancher Reiseführer.
Leider exakt jene, die in meine Hände gelangten. Seitdem aber sind sich
Nachtruhe und Verbindungstür bei mir spinnefeind geworden.
Ich habe nach unserer Ankunft das
Auto noch aufgeräumt – Klaus ist bereits vorgegangen, um die Pizza zu
essen, solange sie noch warm war – ich will erst das Nötigste
erledigen, um dann zur Ruhe zu kommen. Als ich schließlich das
Zimmer betrete, bemerkt Klaus beiläufig: 'Ach, wir haben übrigens
eine Verbindungstür! Das Nebenzimmer ist auch bewohnt. Ich habe
unseren Nachbarn bereits gehört.' Und schon ist es für mich vorbei
mit potentieller Ruhe.
Und das soll sich auch nicht ändern,
als es ans Zubettgehen geht. Im Gegenteil.
Sowohl Klaus als auch ich tragen
beiderseits Ohrstöpsel beim Schlafen. Als Klaus sich zur Nachtruhe
legt, mit besagten Stöpseln im Ohr, und auch sofort einschläft -
stehe ich im Bett. Prompt. Denn ich fragte mich: Wie soll er so
bitte hören, wenn ein Verbrechen geschieht? Wenn sich des Nächtens
jemand an der Verbindungstür zu schaffen macht und in unser Zimmer
eindringt? Mit seinen Stöpseln kann er das doch gar nicht hören!!
Nein. Einer muss aufpassen. Da Klaus ausfällt, bleibe nur noch ich für
diesen Job.
Ergo: Meine Stöpsel aus dem Ohr. Und
horchen. Und siehe da: Ich höre. Unseren Nachbarn. Wie er hustet.
Verdächtig. Der Husten klingt nicht
gesund. Aber wer kann so ungesund husten? Bestimmt ein Junkie. Ganz
sicher sogar. Nächste Frage: Welche Drogen machen so einen Husten?
Bestimmt Crack. Natürlich. Einer der
Crack People wohnt nebenan. Die durch das Land tingeln. Und in
Motels wohnen. Shit. Diese dämliche Verbindungstür.
Ist er friedlich gestimmt? Was, wenn
nicht? Und was, wenn er nicht mehr genug Geld hat für seine nächsten
Drogen? Fielen wir etwa gleich einer Beschaffungskriminalität zum
Opfer?
Habe ich echt keinen Bock drauf.
Bestimmt wartet er bereits hinter der Verbindungstür. Darauf, dass
wir schliefen.
Nun gut. Ich würde ihm einen Strich
durch die Rechnung machen. Und einfach
nicht schlafen.
Okay, schon mal gut der Plan.
Was kann ich noch tun, um uns zu schützen? Alles klar. Als
nächstes beginne ich, ein sensibles Konstrukt aus Möbeln vor der
Verbindungstür zu platzieren. Uns zu verbarrikadieren. Ich bin mir
sicher: Das würde ihm ein Eindringen schwer machen. Und es vor allen
Dingen nicht unverborgen lassen.
Als Klaus meine nächtlichen
Sicherheitsvorkehrungen am nächsten Morgen sieht, lacht er und
fragt: 'Warum hast du mich denn nicht geweckt? Ich hätte dir
geholfen, noch das Sideboard und den Kühlschrank vor die Tür zu
rücken.' Sehr lustig. Monsieur spottet über mich. Das ist also der
Dank dafür, dass ich meinen Nachtschlaf geopfert - und auf uns aufgepasst
habe.
Aber: Wir haben daraus gelernt. Ab
jetzt achten wir darauf, dass unsere Zimmer keine Verbindungstüren
haben. Viel weniger im Sinne eines zu vermeidenden Verbrechens.
Sondern vielmehr im Sinne einer zu vermeidenden Schlaflosigkeit.
Meiner Wenigkeit.
Am Vormittag machen wir uns sodann
auf zu den Amish und halten uns dort bis zum Nachmittag auf. Wir
erfahren etliches über ihre Lebensweise und Religion, fahren durch
das Amish Country, begegnen Amish People und sehen uns an, wie sie
leben.
Es ist von den Amish nicht erwünscht,
fotografiert zu werden - daher existiert kein Bildmaterial von
diesem Ausflug - aber wir werden ihre Bilder im Geiste behalten.
Im Anschluss brechen wir nun auf nach
Niagara Falls - unserem heutigen Tagesziel.