22nd | 23rd March


 

in den letzten zwei Tagen haben wir Meilen gefressen. Gestern führte uns unsere Tagesetappe von Niagara Falls bis kurz vor Chicago. Ich hatte einen guten Drive, neue Kraft getankt und war in guter Verfassung - letztlich fuhr ich die gesamte Strecke nahezu alleine. Darüberhinaus kamen wir erstaunlich gut durch - ich hatte nicht damit gerechnet, dass wir die Strecke tatsächlich innerhalb eines Tages bewältigen würden. Zumal wir am Morgen keine Eile gehabt hatten und erst am späten Vormittag aufgebrochen waren. Einen Zwischenstopp legten wir in Cleveland ein, eine lockere, lässige, sympathische Stadt - 'The city, that rocks' - vertraten uns die Beine, legten uns am Pier mit Blick auf den Lake Erie in die Sonne und besuchten in der legendären 'Rock and Roll Hall of Fame' die Restrooms - ergo: wir gingen dort aufs Klo - was uns einen ersten, kostenlosen Einblick in die 'heiligen Hallen' Clevelands verschaffte. Cool stuff!

 

Anschließend fahren wir weiter.

 

Mit Eintritt in den Bundesstaat Indiana überqueren wir eine Zeitlinie und treten in eine neue Zeitzone ein. Wir gewinnen eine Stunde für uns. Fun fact: Wir fahren gerade entgegen der Zeit.

 

Kurz vor Chicago suchen wir uns schließlich ein Motel, entscheiden uns wiederholt für ein Super 8 - auf diese Kette haben wir uns gerade etwas eingeschossen - und nach Äußerung der langen Liste unserer Wünsche ('Twin Beds, second floor oder höher, keine Verbindungstür, non-smoking room, Wi-Fi') wird uns in der Tat ein wunderschönes Zimmer im third floor zugeteilt - eine richtiggehende kleine Suite mit einem angetäuschten, kleinen Wohnzimmer. Offensichtlich sind es lediglich die besten Zimmer im Super 8, die unsere Anforderungen im Gesamt erfüllen - was für ein Glück für uns.

 

Während ich schreibe, besucht Klaus einen amerikanischen Barbier - und bereitet nach seiner Rückkehr Buerritos Marke Eigenbau mithilfe der zimmereigenen Mikrowelle für uns zu. Wir gehen früh zu Bett. Wobei ich für meinen Teil nach wie vor unter Jetlag leide und in schöner Regelmäßigkeit jede Nacht aufwache - Klaus hat die Zeitumstellung offensichtlich bereits überwunden.

 

Am nächsten Morgen fahren wir hinein nach Chicago. Schon auf den ersten Metern verliebe ich mich in diese Stadt. Chicago und ich - Liebe auf den ersten Blick. In dieser City würde ich ohne weiteres leben. Sofort. Hier. Jetzt. Ohne Wenn. Und ohne Aber.

 

Chicago ist düster, edel, verrucht, erotisch, schön, gefährlich, betörend, echt - und all das zugleich. Eine grandiose Stadt. Ein Pflaster, auf dem ich mich wohl und richtig fühle. Mir fehlt lediglich eines: Der geeignete Anlass - um nach Chicago zu ziehen. Jetzt ganz im Ernst.

 

Während wir durch Chicago flanieren, den Water Tower besuchen, die Fourth Presbyterian Church of Chicago - gleichfalls ein  Ort voller Zauber, der versunkene Melodien in mir zum Klingen bringt - und Marylin Monroe unter den Rock schauen - einer Skulptur des amerikanischen Künstlers Seward Johnson, temporär in Szene gesetzt auf der Magnificent Mile - trinke ich durstig die Atmosphäre dieser Stadt - und verliebe mich immer mehr.

 

Aber unsere Fahrt soll weitergehen - unser Tagesziel liegt in Sioux City.

 

Eine leise Traurigkeit soll mich begleiten - die sich verstärkt, je weiter wir den Osten hinter uns lassen. Irgendetwas lasse ich zurück - ich weiß nicht, was - aber es stimmt mich traurig.

 

Wir fahren lange - und bis in die Nacht hinein. Kurz vor Sioux City suchen wir uns ein Super 8, checken ein, räumen das Auto leer - und machen uns fertig zur Bettruhe.

 

Während Klaus bereits schläft, liege ich noch wach und hänge meinen Gedanken nach. Richtiggehend schwer ist mir das Herz inzwischen - ohne, dass ich den Anlass hierfür benennen kann.

 

Ist es die zurückgelassene Ostküste und dieses dazugehörige, undefinierte Gefühl, das ich immer noch spüre? Oder ist es die Tatsache, dass wir uns nun zunehmend dem Westen nähern - Orten, an denen ich bereits gewesen bin - und mich Erinnerungen begleiten?

 

Oder ist es die stille Traurigkeit & Wehmut, die diese Weite umspielen, die Orte umwehen, die wir als nächstes besuchen werden?

 

Wir befinden uns nun in South Dakota, dem Land, das ehemals Büffelherden und die Plains Indianer bewohnten - bevor der weiße Mann kam und beiden blutig den Garaus machte. Ist es das, was ich spüre?

 

Ich weiß es nicht. Vielleicht werde ich es auch nicht herausfinden.

 

Aber eines ist sicher, während wir den Mittleren Westen durchqueren und uns der Westküste nähern:

 

Nun beginnt ein anderer Teil der Reise.

 

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© 2o12, Saskia Katharina Krost